Mit 830 Pferden über die Insel – mein erster Ritt im Ferrari 296 GTS
Kleine Jungs träumen davon, große Männer auch. Für mich wurde dieser Traum Wirklichkeit: einen Ferrari selbst zu fahren. Und nicht irgendeinen. Sondern den 296 GTS. Und nicht irgendwo. Sondern im Tramuntana-Gebirge auf Mallorca, auf genau den Küstenstraßen, die ich sonst nur mit dem Rennrad kenne. Von Palma nach Valldemossa, Kurve an Kurve, wie Perlen aufgereiht. Es wird keine Testfahrt, es wird ein Rausch für alle Sinne.
Der 296 GTS bringt 830 PS auf die Straße. So viele Pferde hatte ich noch nie unter der Haube. Entsprechend groß der Respekt, besonders wenn man sonst einen VW-Bus fährt. Vor mir steht ein Kunstwerk: strahlend blaue Rennsporttechnik im italienischem Design, pure Leistung voller Emotion.
Der Hybridantrieb kombiniert 167 PS aus dem Elektromotor mit 663 PS aus dem V6-Turbobenziner. Das Ergebnis: 0 auf 100 in 2,9 Sekunden. Höchstgeschwindigkeit: auf dem Papier über 330 km/h, zum Glück ist die Insel dafür zu klein. Mich beeindruckt mehr von 200 km/h auf Null in nur 107 Metern. Ein Super-Supersportwagen!
Man könnte denken, der V6 ist ein Ableger aus der Formel-1, es ist erst der zweite seit dem legendären Dino 156 FS von 1957. Aber nein, seine DNA aber stammt eher vom 499P Le Mans-Prototypen. Ein echter Racer, mit Straßenzulassung.
Lautlos kann er auch. Bis zu 25 Kilometer schafft der Ferrari im reinen Elektromodus, bei maximal 135 km/h. Wofür? Für nächtliche Tiefgaragen Parkmanöver oder lärmempfindliche Altstadtviertel? Ich werde es ausprobieren.
Bevor es ernst wird, holt uns Lorenzo Granai ab. Ferrari-Instruktor, mit seinem charmanten Englisch im italienischen Akzent. Einer von weltweit nur 100, die Kunden das nötige Selbstvertrauen für 830 PS vermitteln. Der dreimalige italienische Rallye-Champion beschreibt uns den Wagen wie ein Trainer seinen Athleten, eindrucksvoll, präzise, mit viel Leidenschaft.
Wir widmen uns besonders dem Lenkrad. Sieht aus wie in der Formel 1, ein eigenes kleinen Cockpit. Lorenzo erklärt jeden Knopf, ich hoffe ich werde am Ende nicht abgefragt. Zum Glück gibt es nur drei Wichtige Knöpfe für uns. Der Wichtigste: der „Manettino“, der rote Fahrmodus-Schalter. „WET“ brauchen wir heute zum Glück nicht. „Comfort“, „Sport“, „Race“ GO. Nur „ESC OFF“ ist ein „NO GO“, keine Wheelspins, erklärt Lorenzo mit erhobenem Finger und Stimme.
Unter der Oberfläche arbeiten elektronische Helfer wie das Side-Slip-Control-System, das Traktion, Fahrverhalten und Kurvenlinie permanent ausrechnet, für maximale Kontrolle und meine Fahrfreude. Spurhalteassistent? Totwinkelwarner? Fehlanzeige. Ferrari geht davon aus, dass der Fahrer alle seine Sinnen am Steuer Platz nimmt, oder man lässt es besser ganz.
Dann der ultimative Knopf für die Bodenwellen der Insel: Frontlift. Er hebt die Nase des Wagens um 5 cm an, wenn’s eng wird. Ab 40 km/h senkt sich alles wieder automatisch. Wir haben ihn mehrfach geschätzt.
Zum Schluss gibt uns Lorenzo seine zwei goldene Regeln mit auf den Weg:
1. Bremspunkt: Dank Carbon-Keramik-Bremsscheiben (vorn fast 40 cm Durchmesser) und Brake-by-wire-System kann man sehr spät und sehr präzise bremsen.
2. Blickführung: Immer dahin schauen, wo man hinwill, nicht wo man gerade ist.
Es erinnert mich an den Umstieg von Felgen- auf Scheibenbremsen am Rennrad: Erst zögerlich, dann kam immer mehr Sicherheit und mehr Speed, jetzt will ich sie nichtmehr missen.
Jetzt geht’s los.
Schon das Einsteigen ist ein Erlebnis. Kein Türgriff, nur eine versteckte Fläche die man ins Blech drückt. Und dann geht es hinunter auf nur 36 cm über dem Asphalt, sportlich tief. Da muss wohl auch das Wort Sport in Supersportwagen seine Berechtigung herhaben. Wer stilvoll wieder aussteigen will, sollte seine Bauch- und Rumpfmuskulatur trainiert haben. Wer es selber ausprobieren will: Ein Bierkasten mit Kissen simuliert es die Übung im handumdrehen.
Der erste Knopfdruck, das Dach öffnet sich in 14 Sekunden. Der Himmel über mir, ich bin bereit alles aufzusaugen. Der Startknopf ist leider kein roter Klassiker, sondern ein unspektakuläres Touchfeld. Trotzdem: Als der V6 zum Leben erwacht, schießt mir der erste Adrenalinschub durch den Körper.
Der Manettino steht auf „Race“. Alles ist bereit für die Kurven-Sin(n)fonie aus Beschleunigung und Bremsen, mit Kraft und Sound. Die Turbos pfeifen. Die Gangwechsel spüre ich am ganzen Körper. Der Sound wird schärfer, je höher die Drehzahl steigt. Wir fliegen die Küstenstraße hinauf, das blaue Meer unter uns und ich freue mich auf jede nächste Kurve.
Was als Ehrfurcht begann, wird mit jedem Kilometer mehr Selbstvertrauen. Lorenzo fährt vorneweg, gibt über Funk Tipps, wie ein Skilehrer, der weiß, wie viel Spielraum ich habe. Als wir uns Palma wieder nähern, bin ich alles andere als satt. Im Gegenteil: mehr davon, bitte!
Und der V6 Sound? Überraschend mehr als erwartet, sehr scharf und klar. Ohne elektrische Verstärkung zapft das „Hot Tube“ den Klang an einer der heißesten Stellen des Abgastrakts ab und leitet ihn ungefiltert wie eine Posaune direkt ins Cockpit. Ferrari nennt ihn auch liebevoll den „piccolo V12.
Im Stadtverkehr wechselt der Ferrari in den Hybridmodus. Der V6 verstummt, der Elektromotor übernimmt. Die Stille irritiert nicht nur mich, auch die Carspotter an der Ampel schauen verdutzt. „Ist der Motor aus?“ fragt einer. Die Ampel springt auf Grün, ich switche zurück, der V6 antwortet lautstark. Jubel von hinten. Sound gehört zu Ferrari wie Rot zu Maranello.
Und wie war’s nun?
Der Ferrari 296 GTS ist ein Meisterwerk. Kein Muskelprotz, sondern ein agiler, stilvoller Hochleistungssportler, den auch ich dank Manettino sicher fahren konnte. Mein Highlight war das Brake-by-wire-System. Diese Art der Dosierbarkeit bei dieser Leistung? Anfahrten auf Kurven erhalten eine neue Dimension, Atemberaubend.
Als sich die Tür hinter mir schließt, vibriert der Sound immer noch in mir nach. Eine Erfahrung, die bleibt. Nicht nur im Kopf, sondern besonders tief unter der Haut. Grazie Mille Ferrari.
Kurz mal nach einem gebrauchten schauen…
Und hier kommt mein Denkfehler. Ferraris sind keine Autos. Sie sind hochbegehrte Traumwagen. Der Zugang zu Neuwagen ist auch mit den finanziellen Mittlen begrenzt. Durch homöopathische Stückzahlen und eine bereits große Familie von Ferraristies. Bei Ferrari rollen im Jahr nur 13500 Autos aus dem Tor in Maranello. Wer nicht zur Ferrari-Familie gehört, muss sich erst einmal anstellen.
Aber: Mit Ferrari Approved öffnet Ferrari den Einstieg nun mit der eigenen Plattform. Derzeit stehen 17 gebrauchte 296 GTS in Deutschland alle gewartet, zertifiziert, dokumentiert. Schnäppchen? Fehlanzeige. Ob 50 km oder 15 000 km Laufleistung, sie kosten kaum weniger als ein Neuwagen. Ein Ferrari ist keine Investition es ist eine Wertanlage mit Seele.
Wer weiß, vielleicht erfüllt sich irgendwann mal wieder ein Traum. Ich halte mich auf jeden Fall fit, für „36 cm“ oder weniger und träume vom V12 in Rot.