Wie entwickelt man ein E-Bike für Porsche?

Eine Gespräch mit Peter Schlitt, Gründer und CEO von ADP Engineering GmbH

In den hohen, lichtdurchfluteten Montagehallen von ADP-Engineering in Dieburg hängen Porsche-E-Bike-Rahmen an ihren Plätzen, bereit für den nächsten Arbeitsschritt. Maschinenbauer und leidenschaftlicher Tüftler Peter Schlitt, 59, führt mich stolz durch die Stationen, an denen Mechaniker und Mechatroniker die Carbon Rahmen Schritt für Schritt zum kompletten Bike zusammensetzen. Neben uns findet gerade die „Hochzeit“ zwischen Rahmen und Motor statt. Schlitt spricht ruhig, aber mit dem Blick eines Mannes, der weiß, wie viel Herzblut in jedem dieser Rahmen steckt. „Ein Porsche auf zwei Rädern“, sagt er und fährt mit den Fingerspitzen über die glatte Oberfläche, „ist weit mehr als nur ein Fahrrad mit Motor. Das ist sehr spezielle Ingenieurskunst.“

 

Die Herausforderung E-Bike

Ein E-Bike ist kein Auto, aber auch kein simples Fahrrad. „Wir haben hier eine hochkomplexe Maschine“, erklärt Schlitt. Der Motor misst den Druck aufs Pedal in Millisekunden und liefert sofort präzise Leistung. Die Kinematik reagiert direkt auf den Fahrer, der mit 80 bis 110 Kilo ein Vielfaches des 21 kg leichten Bikes wiegt. „In einem Zwei-Tonnen-Auto macht es kaum einen Unterschied, ob der Fahrer zehn Zentimeter weiter vorn sitzt. Beim E-Bike verändern schon Millimeter das komplette Fahrverhalten.“ Deshalb gibt es mehrere Rahmenmodelle, angepasst an unterschiedliche Körpergrößen. Gefordert sind Leichtbau, Steifigkeit und Perfektion – wie beim 911.

 

Autodesign contra Bike

Porsche-Designer denken in großen Flächen und der berühmten „Flyline“, der geschwungenen Dachlinie. Ein Fahrradrahmen bietet dafür kaum Platz, dazu kommt der Wunsch nach einem tiefen Durchstieg. „Die Flyline widerspricht der klassischen Bike-Geometrie“, sagt Schlitt. „Das war eine unserer größten gemeinsamen Herausforderungen.“


Wenn Autodesign an Grenzen stößt

„Bei den ersten Ansätzen der Designer die Flyline in den Rahmen zu übertragen kam ein Rahmen für Menschen über zwei Meter heraus“, schmunzelt Schlitt. „Für uns Normalgewachsene wirkte das wie ein XXL-Rahmen.“ Auch beim Material gab es Diskussionen: Porsche-Designer und Kunden wollten sichtbar, cooles 3K-Carbon, ADP setzt im Rahmen jedoch auf UD-Carbon, performanter mit einem technisch matten Look „Wir mussten beweisen, dass echtes Highend nicht immer glänzt.“


ADPs Handschrift

ADP – Advanced Development Products – steht seit über 30 Jahren für Ingenieurskunst auf höchstem Niveau. Das erste Produkt, ein Carbon-Brakebooster, war ein Statement und der Durchbruch: vorhandene Technik radikal verbessern. Mit der Eigenmarke Rotwild testet Schlitts Team jedes Konzept im Rennsport, von Downhill über Cross-Country bis zu Triathlon. Wände voller Trophäen und Meistertrikots erzählen von Erfolgen. „Wir fahren strengere Prüfzyklen als die Norm verlangt“, sagt er. Diese Kultur aus Experiment, Daten und Härtetests überzeugt auch Automarken. So wie sich Porsche-Prototypen in Le Mans oder auf dem Nürburgring beweisen müssen, fahren Rotwild-Prototypen auf den härtesten Worldcup-Strecken der Welt.

 

Sprungbrett IAA Challenge 2013

2013 klopften Entwickler des Autozulieferers Brose bei ADP an: Könnt ihr uns für die IAA ein fahrbares Projektbike bauen? Die Aufgabe war sportlich. Brose hatte ein neues E-Motorsystem im Gepäck, das sie präsentieren wollten, aber kein Testbike. Und die Messe startete in sechs Wochen.

 

Für das ADP-Team war das die perfekte Gelegenheit, zu zeigen, wie man ein sportliches E-MTB bauen kann und eine eigene, innovative Ideen zur Akkuintegration umzusetzen.

„Unser Anspruch war es, ein wirklich sportliches E-Bike zu entwickeln, das hatte bis dahin niemand so richtig geschafft“, erzählt Peter Schlitt. „Wir haben erstmals den Antrieb in ein Fahrrad integriert, statt ein Fahrrad um einen Motor herum zu konstruieren. So wurde unser Prototyp kleiner, leichter, mit kürzerem Radstand und damit so wendig wie ein klassisches MTB.“

Das Ergebnis: Das Rotwild-Brose E-MTB stand pünktlich auf der IAA.

Als Bonus gab es viel Presse in den Fachmagazinen und jede Menge Aufmerksamkeit für unser Projekt.

 

Porsche Individualisierung und Service by ADP

Wie beim Auto gibt es auch beim E-Bike die Möglichkeit für Porsche Sonderfarben, abgestimmt auf das Fahrzeug. Antrieb, Fahrwerk, Laufräder sind eine Auswahl der besten Anbieter mit der Balance aus Performance und weltweitem Service für die 23 Länder, in denen Porsche-E-Bikes verkauft werden. ADP übernimmt neben Design und Produktion auch den globalen After-Sales-Service, inklusive zehnjähriger Teilevorhaltung.

 

Die Manufaktur

Für die Fertigung hat Schlitt ehemalige Bauhofhallen in eine High-End-Manufaktur verwandelt. Helle Räume mit offenem Giebeldach, weiße Wände mit großformatigen Produktfotos, fast wie ein Museum. Spezialwagen transportieren die Rahmen für die Tagesproduktion. Im Inneren verlaufen Kabelbäume wie im Auto. Viele Vorrichtungen und Halterungen hat ADP selbst konstruiert und gebaut. Draußen stehen zwei graue 20-Fuß-Container für die sichere Lagerung der eigens entwickelten E-Bike-Akkus.

 

 

Peter Schlitt – der Mann hinter ADP

Schlitt wuchs zwischen Werkstätten auf, baute als Jugendlicher Rasenmähermotoren ins Fahrrad und tüftelte, bis alles funktionierte. 1994 gründete er zusammen mit Peter Böhm ADP Engineering, zwei Jahre später kam Rotwild, ursprünglich nur als Schaufenster der eigenen Fähigkeiten gedacht. Heute berät er Marken wie Porsche, Audi und Mercedes. Neue Prototypen testet er mit seinem Designer Lutz Scheffer rund um Garmisch. In den Bergen wo auch das ADP Concept und Design Center seinen Platz hat . Die Anfahrt genießt er im elektrischen Taycan 4 Cross Turismo.

 

Lösungen für Porsche

Seit 2011 arbeitet ADP mit Porsche, seit Ende 2020 rollen die ersten reinen Porsche-E-Bikes auf den Markt. Schlitts Team liefert zunächst das technische „Package“: Basisgeometrie mit Motor, Akku, Rädern. Darauf setzen die Designer von Studio F. A. Porsche ihre Linien. Viele Runden, viele Prototypen. „Learning by doing“, fasst Schlitt zusammen. Das Ergebnis: ein Carbon Rahmen mit Wandstärken bis zu 1,6 mm dünn und nur 3,8 kg schwer, gebaut für höchste Steifigkeit und Performance.

 

 

Porsche E-Bikes

·       Modelle: E-Bike Sport 2025 (ca. 10.066 €), E-Bike Cross (ca. 6.050 €), E-Bike Cross Performance (ca. 9.050 €), E-Bike Cross Performance EXC (ca. 10.066 €)

·       Technik: Carbon Rahmen 3,8 kg, Gesamtgewicht ab ca. 21,6 kg, Shimano EP801-Motor mit 85 Nm Drehmoment und bis zu 600 W Spitzenleistung, Akkus 504–630 Wh

·       Ausstattung: Fox-Fahrwerke, Magura-Bremsen, Supernova-Lichtanlage, individuelle Porsche-Farben – auf Wunsch sogar Purple Sky Metallic.

·       In mehr als 20 Ländern erhältlich

·       https://shop.porsche.com/de/de-DE/c/porsche-ebikes-sport-und-cross

 

Fazit

Ein Porsche-E-Bike ist weit mehr als ein Fahrrad mit Logo. Es ist das Ergebnis einer Partnerschaft von Spezialisten, geprägt von Leidenschaft für Performance, deutscher Ingenieurskunst und kompromisslosem Design. Peter Schlitt und sein Team zeigen eindrucksvoll, wie sich das Porsche-Gefühl auf zwei Räder übertragen lässt, von den großen Flächen und Sechszylinder-Mythen hin zu einer Carbon-Leichtbau-Skulptur mit leisem, kraftvollem E-Antrieb.

 

CEO und ADP/Rotwild Firmengründer Peter Schlitt 59

Der Maschinenbauer  Peter Schlitt ist Ingenieur, Unternehmer und einer der prägenden Köpfe der deutschen Premium-Bike-Szene. 1994 gründete er gemeinsam mit Peter Böhm die ADP Engineering GmbH in Dieburg südlich von Frankfurt. Zwei Jahre später folgte die Marke Rotwild, die heute für Highend-Mountainbikes und innovative E-Bikes steht.

Schon das erste Produkt, ein eigens entwickelter Carbon Brake Booster, zeigte, wie sehr Schlitt auf eigene Lösungen setzt, wenn der Markt nichts Passendes bietet. Diese Haltung prägt bis heute die Arbeit bei ADP und Rotwild: neue Technologien, kluges Design und eine enge Verzahnung von Entwicklung und Produktion. Unter seiner Leitung wuchs das Unternehmen zu einem der führenden Anbieter im sportlichen E-Bike-Segment.

Früh erkannte Schlitt die Chancen der Elektromobilität und trieb den Aufbau leistungsstarker E-Mountainbikes voran. Kooperationen mit Marken wie Porsche unterstreichen den Anspruch, technisches Know-how mit starkem Design zu verbinden. Mehrfach wurde ADP für seine Innovationskraft ausgezeichnet, etwa als „TOP 100“-Unternehmen.

Wer Schlitt erlebt, merkt schnell: Hier führt kein Manager im Anzug, sondern ein Tüftler, Stratege und Netzwerker, der seine Leidenschaft für Technik mit unternehmerischem Weitblick verbindet.

 

 

 

 

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